1. Startseite
  2. Meinung
  3. Gastbeiträge
  4. Gastkommentar: Wie wir in Zukunft Krieg führen

GastkommentarWie wir in Zukunft Krieg führen

Cyberangriff, Partisanenkampf, organisierte Kriminalität: Es gibt einen neuen Trend bei Konflikten – hybride Kriegsführung. Das zeigt die Krise in der Ukraine. Ein Nato-Forscher warnt: Darauf sind wir nicht vorbereitet.Robert Helbig 07.08.2014 - 12:53 Uhr Artikel anhören

Ohne Abzeichen: In dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt es Soldaten, die keinem Land zugerechnet werden können.

Foto: Imago

Im Zuge der Ukraine-Krise werden in den Nachrichten immer wieder Kämpfer ohne Abzeichen gezeigt („grüne Männchen“), die für die Brüderschaft des russischen Volkes kämpfen. Gleichzeitig stehen russische Truppen an der ukrainischen Grenze und es wird von russischen Waffenlieferungen an die ukrainischen Separatisten berichtet. Militärspezialisten sprechen angesichts dieser Lage von einer neuen Form des Konflikts: „hybrid warfare”– zu Deutsch: hybride Kriegsführung. Alle Augen sind auf Russland gerichtet, aber Moskau ist nicht der einzige Akteur, der sich dieser neuen Form des Krieges bedient. Die Nato sollte sich auf einen neuen Trend einstellen.

Bei hybriden Bedrohungen handelt es sich um staatliche oder nicht-staatliche Akteure, die den Einsatz eines ganzen Spektrums traditioneller und unkonventioneller Mittel auf taktischer Ebene verschmelzen lassen – darunter der Einsatz von Partisanenkämpfern, organisierter Kriminalität, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Cyberangriffen, Störungen der Energieversorgung, wirtschaftliche Kriegsführung und Propagandakampagnen.

Robert Helbig: Stipendiat des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes.

Foto: Handelsblatt

Handlungen einer solchen hybriden Strategie können Beobachter nur schwer zuordnen und voraussagen, denn die Kombattanten können sich schnell von konventionellen Truppen zu Guerillakämpfern oder Demonstranten wandeln. Eine genaue Definition für diese Art der Kriegsführung gibt es nicht und so bewegen sich die „Kämpfer“ teilweise im rechtsfreien Raum. Daher ist der Einsatz von hybrider Kriegsführung insbesondere interessant für jene Akteure, die sich beim Einsatz konventioneller Methoden vor der internationalen Gemeinschaft rechtfertigen müssten.

Als Wegbereiter der hybriden Kriegsführung gilt die Hisbollah. Organisiert in kleinen Einheiten, aber ausgestattet mit hochentwickeltem Kampfgerät hat sie 2006 im Libanonkrieg bewiesen, wie man als Guerillakämpfer mit konventionellen Methoden den Israelis empfindliche Verluste zufügen kann.

Die Nato – Was ist das?
Gründung
Auftrag
Sitz
Mitgliedstaaten
Vertrag
Beitrittskandidaten

Noch wirksamer wird der „hybrid warfare“, wenn er von Großmächten angewandt wird. So wie Russland in der Ukraine-Krise ein breites Spektrum von nichtmilitärischen Mitteln einsetzt, setzen andere Staaten zur Durchsetzung ihrer maritimen Ansprüche nicht nur „Kanonenboot-Diplomatie“ ein. Anstelle von Fregatten schicken Militärmächte Fischerboote in umstrittene Gewässer, und verankern demonstrativ Ölbohrinseln.
Staaten untermauern ihre Aktionen mit Propagandakampagnen. Moskau hetzt im Staatsfernsehen gegen Kiew, während andere Regierungen Videos von gestellten Protestveranstaltungen verbreiten. Zudem werden Nachbarn mit Cyberangriffen attackiert und mit wirtschaftlichen Mitteln unter Druck gesetzt. Diplomatische Vereinbarungen werden untergraben oder Verhandlungen werden von vornherein boykottiert.

Eine Vielzahl prominenter Militärforscher glaubt, dass diese Art zu „kämpfen“ ein Trend der Zukunft ist. So errichtet Russland das „National Centre of State Defence Management“, das verschiedenste Instrumente der nationalen Sicherheitspolitik integriert und kontrolliert. Andere Staaten integrieren zivile Polizei- und Fischereiboote in eine Flotte, um diese vielseitig einsetzen zu können.

Uno-Friedensmissionen – von Blauhelmen und zivilen Helfern
Aufgabe
Anzahl
Uno-Beschluss
Premiere
Zivile und militärische Hilfe
Kommando
Truppenstärkste Länder

Die Frage, wie sich die Nato gegenüber hybriden Bedrohungen aufstellen sollte, geht daher weit über die Situation in der Ukraine hinaus. Die Allianz hat auf dem bevorstehenden Gipfel in Wales die Chance, sich langfristig auf die neue Bedrohung einzustellen – und zwar mit mehr als einer erhöhten Truppenpräsenz in den östlichen Mitgliedsstaaten.

Erstens müssen hybride Bedrohungen zunächst einmal erkannt werden. Dazu bedarf es einer Kultur der Vorausschau und Diskussion ohne Rücksicht auf politische Korrektheit, denn nur so können die vielseitigen Geheimdienstinformationen überhaupt erst sinnvoll verwertet werden. Wenn eine Bedrohung erkannt ist, muss die Nato den dynamischen hybriden Akteuren flexibler entgegentreten und schnell beschließen können, wie sie reagieren wird. Dazu bedarf es beschleunigter Prozesse der Entscheidungsfindung. Der militärischen Führung könnten mehr Rechte zur Vorbereitung und Positionierung von Kampftruppen zugesprochen werden, um langatmige Konsultationen der 28 Mitgliedsstaaten zu überbrücken. Um die Maßnahmen praktisch umzusetzen, muss die Nato ihre Rapid Response Force auf flexible Einheiten ausrichten, die schnell und modular einsetzbar sind.

Zweitens sollte die Nato ihre Maßnahmen als Teil eines umfassenden Ansatzes („comprehensive approach“) integrieren. Hybride Bedrohungen beinhalten meist auch nicht-militärische Komponenten. Diese sollten auch mit nicht-militärischen Mitteln beantwortet werden, weshalb die Kooperation mit zivilen und internationalen Organisationen notwendig ist. Die Nato könnte die Situation in der Ukraine nutzen, um ihre unzureichende Kooperation mit der EU auf die neue gemeinsame Bedrohungslage auszurichten und diese als Vorbild für die Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Organisationen nutzen.

Verwandte Themen Ukraine Russland

Drittens sollte die Nato ihre Stimme dafür erheben, dass die UN die internationale Rechtslage in Bezug auf hybride Kriegsführung klärt. Nur so kann die Grundlage geschaffen werden, hybride Kombattanten zur Verantwortung zu ziehen und Staaten davon abzuschrecken hybride Kriegsführung einzusetzen. Außerdem kann es die Allianz sich nicht erlauben, in einer rechtlichen Grauzone zu agieren, weshalb sie sich für eine rechtliche Legitimierung der Selbstverteidigung gegen hybride Kriegsführung einsetzen sollte.

Robert Helbig ist Stipendiat des Carlo-Schmid-Programms des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes(DAAD).Für sechs Monate in der Energy Security Section der Emerging Security Challenges Divison des Nato Hauptquartiers eingesetzt. Er studiert an der Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts Universität in Medford, Massachusetts, und forscht über Nato-Partnerschaften.

Der Beitrag spiegelt ausschließlich die persönlich Meinung des Autors und nicht notwendigerweise die der Nato wider.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt