Altmeister-Auktion: Wiener Dorotheum versteigert wiederentdecktes Tizian-Gemälde

Die auf Leinwand gemalte Darstellung der büßenden Magdalena wird am 11. Mai zur Taxe von 1 bis 1,5 Millionen Euro aufgerufen (Ausschnitt aus einem Hochformat).
Wien. Wenn ein lange verschollenes Kunstwerk wieder auftaucht, ist häufig Skepsis angesagt. Schon oft hat sich ein vermeintlich wiederentdeckter Van Gogh, Schiele oder Cézanne als Fälschung entpuppt. Eine glückliche Hand dagegen bewies nun das Auktionshaus Dorotheum, genauer gesagt: dessen Experte für Alte Meister, Mark MacDonnell. Denn in der Auktion am 11. Mai kommt ein Tizian prominenter Herkunft zum Aufruf, der zuletzt im Jahr 1859 aktenkundig war – und seither als verloren galt.
In einer englischen Privatsammlung stieß MacDonnell auf das Gemälde „Die büßende Magdalena“, eine der zahlreichen Darstellungen dieser ihre Sünden bereuenden Heiligen. „Tizian nahm dieses Sujet immer wieder auf, fertigte viele verschiedene Varianten davon an“, erzählt MacDonnell dem Handelsblatt. „Es war sehr gefragt bei seinen Kunden.“
Die Echtheit des 115 mal 97 Zentimeter großen Objekts bestätigte Tizian-Spezialist Paul Joannides, der bereits ausführlich über die Magdalenen-Darstellungen des Renaissancemeisters gearbeitet hatte. „Als ich ihm ein Foto davon zeigte, war er sofort ganz aufgeregt“, erinnert sich MacDonnell.
Weitere kunsthistorische sowie naturwissenschaftliche Expertisen untermauerten Tizians Eigenhändigkeit. Dabei zeigten sich auch Veränderungen während des Malprozesses.
Wie Infrarot- und Röntgenaufnahmen ergaben, waren Details der Komposition – die Ärmel von Magdalenas Gewand, die Vase, der Totenschädel und das Buch – ursprünglich anders angelegt. „Das ist ein Zeichen dafür, dass es ein vollständig eigenhändiges Werk von Tizian ist. Seine Werkstatt hätte nichts auf eigene Faust geändert.“ Joannides datiert das Los auf die zweite Hälfte der 1550er-Jahre.
Zur Qualität des Werks kommt dessen hervorragende Provenienz: Laut Dorotheum stammt es mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung des habsburgischen Kaisers Rudolf II., auf den bedeutende Bestände des Wiener Kunsthistorischen Museums zurückgehen. Später gelangte die „Büßende Magdalena“ in die Kollektion Christina von Schwedens, einer bemerkenswert emanzipierten Königin, die jedoch früh abdankte.
Das Dorotheum setzte den Wert von Lot 32 auf 1 bis 1,5 Millionen Euro an. Ein niedriger Wert? MacDonnell: „Wenn man sich die Museumsbesuche anschaut, dann gibt es ein großes Interesse an Alten Meistern. Aus der finanziellen Perspektive freilich herrscht eine Diskrepanz zur Moderne und zur zeitgenössischen Kunst.“

Wer den Tizian wohl ersteigern wird? Es bleibt spannend.
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