Gabriele Münter: Köln feiert das Werk von Kandinskys Gefährtin mit einer Ausstellung
Köln. Sie war die zeitweilige Lebensgefährtin von Wassily Kandinsky, eine Protagonistin der Künstlervereinigung „Der Blaue Reiter“ und lebte in Murnau. Das ist das, was man gemeinhin mit der Malerin Gabriele Münter (1877-1962) in Verbindung bringt.
Stark farbige Landschaften und gefällige Stillleben sind ihr Markenzeichen, in geringerem Maße das vom Expressionismus inspirierte Menschenbild, das in einem Porträt der Künstlerkollegin Marianne Werefkin gipfelt. Im Kölner Museum Ludwig fächert jetzt eine Wanderschau die ganze Bandbreite von Münters Lebenswerk auf, zu dem auch ihre frühen Fotografien gehören. Es ist ein Œuvre, in dem es starke und schwache Momente gibt.
Ausstellung und Katalog zeigen, dass Münters beste Zeit die der zehnjährigen Lebensgemeinschaft mit Kandinsky war, dessen Malklasse sie in den Jahren 1902/03 besucht hatte. Bis zu Kandinskys Rückkehr nach Moskau im Januar 1915 reisen sie gemeinsam nach Tunis, in die Schweiz, durch Italien und Frankreich, wo die wild und ungebärdig wirkende Malerei der „Fauves“ starken Eindruck auf das Künstlerpaar macht. Die Werke, die 1905/06 im Dunstkreis der Tunisreise und in Paris entstehen, sind in einem pastosen spätimpressionistischen Stil gemalt. Erst ab 1908 wird der Duktus flüssiger und freier.
1909 ist ein Schlüsseljahr, in dem die Münter das Haus in Murnau erwirbt, bei Kandinsky in Schwabing einzieht und mit ihm in der ersten Ausstellung der „Neuen Künstlervereinigung München“ in der Modernen Galerie Heinrich Thannhausers figuriert.
Die Bilder dieser Periode, vor allem die Interieurs mit Kandinsky und Freunden, die Stillleben mit der von ihr gesammelten folkloristischen Hinterglasmalerei und die bayerischen Dorflandschaften haben unser Bild von einer Künstlerin geprägt, die neben kräftiger Tonalität vor allem die Farbe Blau liebt und Leinwand in eher bescheidenem Format bevorzugt.
Die Symbiose mit Kandinsky führt dazu, dass beider Stil sich in den Murnau-Landschaften angleicht. Der Kunstmarkt aber trennt sie wieder. Während kleinformatige Murnau-Bilder des Russen die Millionengrenze übersprungen haben, sind die Münter-Preise noch entwicklungsfähig.
In München erzielen Münters Gemälde die höchsten Preise
Die höchsten Notierungen werden nicht etwa in Londoner oder New Yorker Auktionen erreicht, wo ihre Werke seltener erscheinen und zum Teil zurückgehen, sondern bei Ketterer in München. Hier wurden allein im Jahr 2015 nicht weniger als 20 Werke der Münter versteigert. Der einzige internationale Hochpreis sind die 725.000 Dollar, die im Mai 2013 das 1908 datierte Gemälde „Das gelbe Haus“ bei Sotheby’s erlöste.
Der bislang höchste Preis wurde bei Ketterer im Dezember 2014 erzielt, als die 1908 entstandene Landschaft „Der blaue Berg“ für 825.000 Euro versteigert wurde. Mit Preisen für die in dieser Periode entstandenen Kandinsky-Werke verglichen, ist auch dieser Zuschlag moderat zu nennen.
Im Juni 2018 realisierte bei Sotheby’s sein Ölbild „Gabriele Münter im Freien vor der Staffelei“ (1910) 5,3 Millionen Pfund. Bis 2010 lagen die meisten in deutschen Auktionen erzielten Preise deutlich unter 500.000 Euro, an der Spitze das 2001 bei Ketterer für 488.000 Euro zugeschlagene Interieur „Kandinsky und Erna Bossi“.
Die nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Werke haben einen weniger hohen Stellenwert. Nach dem Verrat Kandinskys, der, als sie zusammenlebten, bereits verheiratet war und in Russland eine neue Ehe einging, war ihre Kreativität auf Sparflamme. Auch der Skandinavien-Aufenthalt 1915 bis 1920 kann sie nicht aktivieren. Das düstere Interieur mit einer Sinnenden von 1917 ist eine Depressionsikone. Erst der Kunstjournalist Johannes Eichner, den sie 1927 in Berlin kennen lernt, vermag sie wieder zum Malen anzuregen. Mit ihm reist sie 1930 durch Frankreich, geht fünf Monate nach Berlin und wird in Murnau sesshaft. Die Lebensgemeinschaft mit Eichner, der 1936 bei ihr einzieht, durchsteht die dunklen Jahre des Malverbots nach 1937.
Die Bilder der Dreißigerjahre sind, mit Ausnahme der Stillleben, meist in verhaltener Farbigkeit gehalten. Den freien Pinselduktus hat eine kleinteilige und konturenscharfe Komposition abgelöst. Der Einfluss Eichners war fatal. Er hielt sie an, idyllischere Werke für den Verkauf zu malen. Das führte dann dazu, dass ihre Motive und der Malstil immer gefälliger und braver wurden.
Dass Bilder dieser Zeit oder gar der Fünfzigerjahre nicht den Marktstatus ihrer frühen Murnauer Periode haben, versteht sich daher von selbst. Gleichwohl sind Liebhaber ihrer Kunst immer noch bereit, für ein plakatives Motiv sechsstellige Beträge hinzublättern. Zwei Paradebeispiele sind die in den Vierzigerjahren entstandenen Bilder „Haus am Hang“, das im Juni 2018 bei Ketterer für 262.500 Euro zugeschlagen wurde, und ein Dahlienstillleben, das im Oktober 2012 im selben Haus für 158.600 Euro versteigert wurde.
In den 1930er- und 1940er-Jahren war ihre Malerei fast vergessen. Sie war in Murnau auf die Hilfe ihrer Mitbürger angewiesen, denen sie, um zu überleben, oft Bilder im Tausch gegen Nahrungsmittel anbot. Erst die Wanderausstellung „Der Blaue Reiter“, die von 1949 bis 1953 durch 22 deutsche Städten tourte und in der neun Münter-Gemälde hingen, brachte ihr die verdiente Publizität.
Großzügige Stiftung
Anlässlich ihres 80. Geburtstags stiftete sie dem Münchener Lenbachhaus rund 100 Gemälde und zahlreiche Papierarbeiten von Künstlern des „Blauen Reiters“ und seines Umkreises, die sie in ihrem Murnauer Keller vor dem Zugriff der Nationalsozialisten gerettet hatte. Damit machte sie das Haus in der Künstlervilla zu einem Museum von Weltrang. 1958 stirbt Johannes Eichner, und im Mai 1962 stirbt die Künstlerin in ihrem Murnauer Heim. 1966 wird die von beiden ins Leben gerufene Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung rechtsfähig, die den Nachlass verwaltet und Ankäufe unterstützt.


Die Stiftung, die das Werkverzeichnis vorbereitet, schätzt das malerische Werk auf 2.200 Gemälde. Schon daraus ist zu erkennen, dass es wie bei fast allen Expressionisten ein großes Qualitätsgefälle geben muss. Sie ist auch mit ihrem vor dem Ersten Weltkrieg entstandenen Hauptwerk nicht ganz aus dem Schatten Kandinskys und Jawlenskys herausgetreten. Die Bilder, die in dieser deutsch-russischen Symbiose entstanden, haben gleichwohl Weltgeltung, und das macht die in Berlin geborene Bajuwarin zu einer Protagonistin des „Blauen Reiters“ und seiner leuchtenden Farbgebung.
Die Ausstellung läuft bis 13. Januar 2019 im Museum Ludwig, Köln. Katalog 35 Euro





