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TagungKünstliche Intelligenz: Soll das Kunstmarktvolumen verdoppeln

Christie‘s „Art & Tech Summit“ stellte Novitäten der nahen Zukunft vor: Einen KI-gestützten Kunstberater und den Ankauf von NFTs ohne Wallet, nur mit Kreditkarte.Barbara Kutscher 09.08.2023 - 15:35 Uhr Artikel anhören

Über Investitionen in unsere Zukunft sprachen (v.l.n.r.): Julia Hartz (CEO Eventbrite), Susannah Shipton (Partner AlleyCorp), Greg Gottesman (Co-Founder & Managing Director Pioneer Square Labs), Effie Epstein (Managing Partner Sound Ventures) und Chris Shonk (Managing Director ATX Venture Partners). Quelle: Christie’s Images Limited 2023

Foto: Handelsblatt

New York. Als am 11. März 2021 zum ersten Mal ein Non Fungible Token (NFT) eines digitalen Kunstwerks von einem traditionellen Auktionshaus versteigert wurde, hätten das 22 Millionen Beobachter online verfolgt, sagen Vertreter von Christie’s. Beeples Collage „Everydays: The first 5000 Days“ schoss damals auf über 69 Millionen Dollar und katapultierte die NFTs aus der subkulturellen Nische in den Mainstream.

Die losgetretene Spekulationswelle, die im August 2021 ihren Gipfel erreichte, ebbte aber genauso schnell wieder ab. Wie der von der Art Basel und der UBS verfasste „Global Art Market Report 2023“ belegt, fiel der Umsatz mit NFTs, der im Jahr 2021 fast 2,9 Milliarden Dollar betrug, 2022 um fast 50 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar.

Mancher vermeidet heute sogar den Begriff NFT. So berichtete Lukas Amacher, Managing Director der auf digitale Kunst spezialisierten Sammlung „1OF1“ des Züricher Risikokapitalgebers Ryan Zurrer in einer Diskussionsrunde auf Christie’s 4. „Art + Tech Summit“ in New York. „Niemand will heute diesen Begriff hören. Wir sprechen stattdessen gegenüber Sammlern von einem Echtheitszertifikat.“

Der Markt habe sich in den vergangenen sechs bis neun Monaten jedoch stabilisiert, davon ist Devang Thakkar überzeugt. Er ist Chef von Christie’s Ventures, dem kürzlich gegründeten Investitions-Bereich des Versteigerers. Christie’s hatte am 19. und 20. Juli Künstler, Kuratorinnen, Akademiker, Vertreterinnen von Aufsichtsbehörden, Technologen und Führungskräfte von Fintech-Firmen und Luxus-Marken nach New York geladen.

Über Technologie und die menschliche Kreativität tauschten sich aus (v.l.n.r.): Sam Gellman (Director Proof), Tyler Hobbs (Künstler), Erick Calderon (Künstler & CEO Art Blocks). Quelle: Christie’s Images Limited 2023

Foto: Handelsblatt

In zwanzig jeweils halbstündigen Runden sollten sie den Status von NFTs, Blockchain und vor allem Künstlicher Intelligenz (KI) abklopfen. Gegenüber Bloomberg Technology hatte Thakkar das Engagement des Versteigerers so erklärt: „Wir verstehen uns als neutrale Partei. Jede neue Technologie hat ihren eigenen Lernzyklus und niemand kann diese Herausforderungen allein lösen“.

Christie’s habe sich bereits an sechs Start-Ups beteiligt, die alle das Geschäft mit der Kunst voranbringen sollen, berichtete Thakkar, der bereits Führungspositionen bei Microsoft und Artsy bekleidete, auf dem Summit.

iPhone verdoppelte Kunstmarktumsatz

Vor allem dank des iPhones habe sich der Umfang des Kunstmarktes von 2007 bis 2017 verdoppelt. Er prognostiziert eine weitere Verdoppelung dank KI. Derzeit arbeite Christie’s mit Unterstützung von Microsoft an einem KI-gestützten „Art Advisor“.

Wie ein Sprecher Sotheby’s bestätigte, investiert übrigens auch der Konkurrent in einige Technologieunternehmen. Nicht überraschend zeigten sich die überwiegend aus Digital Natives bestehenden Teilnehmenden optimistisch gegenüber einem sich demokratisierenden web3 .

Skepsis wegen ethischer Bedenken

Trotzdem wurde auch Skepsis laut bei Fragen von Ethik, Authentizität, Copyright, Eigentum persönlicher Daten und regulatorischer Eindeutigkeit, vor allem in den USA. Besorgnis über sich rasant entwickelnden KI-Technologien äußerte auch der 2021 weltberühmt gewordene Künstler Mike Winkelmann.

Der 42-Jährige verdankt seinen Spitznamen Beeple einem in den 1980er-Jahren populären quietschenden Plüschtier: „Beim Konzept, etwas Digitales zu besitzen, stehen wir noch ganz, ganz am Anfang. In den letzten beiden Jahren wurden unglaubliche Fortschritte erzielt, es sind aber immer noch massive Verbesserungen bei der Infrastruktur notwendig.“

Besitz und Verwendung müssten einfacher und auch sicherer gemacht werden, meint Winkelmann. „Für die jüngere Generation ist es allerdings ganz natürlich, den Wert virtueller Dinge zu erkennen“.

Akteure des 69 Millionen-Dollar-Kaufs

Christie’s versammelte auch die drei Hauptakteure des „Urknalls“ von vor 28 Monaten. „Du hast vor einigen Jahren unser aller Leben grundsätzlich verändert. Hast Du bereut, so viel Geld ausgegeben zu haben?“, begann Noah Davis, damals Christie’s Chef für Digitalverkäufe und inzwischen Brand Leader für CryptoPunks bei Yuga Labs, sein Gespräch mit dem in Südindien geborenen Blockchain-Entrepreneur Vignesh Sundaresan.

„Your view matter“ ist eine VR-Installation, die auf der Tagung vorgestellt wurde. Beauftragt hat sie der Blockchain-Entrepreneur Vignesh Sundaresan. Quelle: Olafur Eliasson / Metapurse

Foto: Handelsblatt

Der unter dem Pseudonym MetaKovan - tamilisch für Meta-König - auftretende langjährige Krypto-Investor mit Wohnsitz Singapur gab zu: „Ich hätte nie gedacht, dass es ein so historischer Moment sein würde und dass es möglich ist, bei Christie’s in Kryptowährung zu zahlen“.

Kostenfrei Kunst genießen

Inzwischen beauftragt und finanziert er digitale Kunst, wie etwa im vergangenen Herbst Olafur Eliassons immersive VR-Arbeit „Your View Matter“. Sie lässt sich kostenfrei von der gleichnamigen Website herunterladen. Begleitet von einem Soundtrack ermöglicht sie dem Betrachter, in optische Phänomene einzutauchen.

Auch Beeples „Everydays“ hat er auf seiner Website metacovan.com zugänglich gemacht. „Blockchain ist mein Instrument als Kunstsammler“, sagt der Sammler Sundaresan. Für Beeple gab es Museumsweihen: Sein 2021 von Ryan Zurrer bei Christie’s zu 29 Millionen Dollar ersteigertes Werk „Human One“, das virtuelle und physische Existenz kombiniert und vom Künstler stets aktualisiert wird, tourte bereits durch führende Institutionen in Turin und Hongkong, derzeit wird es in Bentonville in Arkansas gezeigt.

Madeleine Pierpont wurde im vergangenen Jahr vom New Yorker MoMA als „web3 Associate“ eingestellt. Sie erinnerte daran, dass sich das Museum schon seit den 1960er-Jahren um digitale Kunst kümmere. Bei künstlerischen Experimenten mit Blockchain, virtueller Realität und KI befände man sich aber noch in der Lernphase.

Refik Anadol fasziniert MoMA-Besucher

Sehr ermutigend sei die Resonanz auf Refik Anadols großformatiges Software-Kunstwerk „Unsupervised“, das seit November 2022 in der MoMA-Lobby Besucher aller Altersgruppen in seinen Bann zieht. Hier interpretiert KI öffentlich zugängliche Daten der MoMA-Sammlung kontinuierlich zu neuen abstrakten Visualisierungen. Dazu können sich Besucher über einen QR-Code ein freies NFT als Memento herunterladen.

„Web3 ermöglicht Museen, ein völlig neues Publikum zu erreichen. Digitale Kunst ist eine der am leichtesten zugänglichen Kunstformen. Denn Screens gibt es überall in unserem Alltag, auch in Institutionen“, erläuterte Madeleine Pierpont. „Für mich ist KI ein Werkzeug und keine große Bedrohung für die künstlerische Produktion oder Kuratoren“.

Über die Allgegenwart von KI diskutierten (v.l.n.r.): Laurie Segal (Founder Dot Dot Dot Media), Kathy McKeown (Henry and Gertrude Rothschild Professor of Computer Science, Columbia University), Mario Klingemann (Künstler), Noam Segal (LG Electronics Associate Curator Solomon R. Guggenheim Museum), Matthew Richmond (Senior Design Director Adobe). Quelle: Christie’s Images Limited 2023

Foto: Handelsblatt

Anthony Troisi, Finanzdirektor am Institute of Contemporary Art in Miami, stimmte ihr zu: „An erster Stelle steht der menschliche Kurator. KI kann allerdings einige der arbeitsintensiven Forschungskomponenten vereinfachen und vielleicht sogar Verbindungen herstellen, auf die man sonst nicht gekommen wäre.“

Unter den geladenen Künstlern war auch der Münchener KI-Pionier Mario Klingemann, der bereits seit den 1980er-Jahren Maschinen auf ein fast autonomes kreatives Verhalten trainiert. Der Provokateur findet: „Der revolutionärste Moment wird sein, wenn KI einen Sinn für Humor entwickelt“.

Kunstkritiker auf vier Pfoten

Klingemanns jüngstes Werk erinnert an die Automaten des 18. und 19. Jahrhunderts: Der Roboter „A.I.C.C.A.“ in Gestalt eines wuscheligen Terriers soll durch Galerien, Messen oder Museen rollen und dank ChatGPT Kunstkritik üben. Die Urteile spuckt er auf Papierstreifen über seinen After aus.

Werden Klingemanns Arbeiten durch die Initiative Onkaos der Madrider Colección Solo finanziert und außerhalb des Galeriesystems vertrieben, schaffte der studierte Software-Ingenieur Tyler Hobbs als einer der wenigen den Sprung in eine New Yorker Großgalerie.

Pace Gallery zeigte im April ein Dutzend abstrakter, handgemalter Großformate, die auf Hobbs“ experimenteller generativer Serie „QQL“ beruhen. In die konnten Sammler ungehindert eingreifen. Über den 2021 gegründete web3-Filiale „Pace Verso“, die 2022 eine Partnerschaft mit der führenden NFT-Plattform „Art Blocks“ einging, ermöglicht die Galerie ihren Künstlern Werke auf Blockchain zu schaffen.

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Ariel Hudes, verantwortlich für Pace Verso, erklärte dem Handelsblatt: „Web3 schuf eine neue Klasse von Sammlern, die bisher nicht an Kunst interessiert waren“. Künftig will Pace Verso auch den Kauf von NFTs einfacher machen. Eine Wallet, eine Börse, die Kryptowährungen verwaltet, wird nicht mehr notwendig sein. Man braucht nur eine ganz normale Kreditkarte.

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