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GastkommentarDeutschland kann bei Pharma und Biotech weltweit vorn mitspielen – wenn wir einen Gang zulegen

Zell- und Gentherapien bieten völlig neue Möglichkeiten, Krankheiten zu heilen. Um sie auszuschöpfen, müssen Unternehmen, Politik und Wissenschaft kooperieren, meint Stefan Oelrich. 13.06.2023 - 04:00 Uhr Artikel anhören

Deutschland habe durchaus gute Chancen bei Pharma und Biotech, so der Topmanager von Bayer.

Foto: dpa, prvat

Unser Land steht vor einer tiefgreifenden Transformation. Heute werden die Weichen dafür gestellt, ob der Standort Deutschland als großer Gewinner aus dem Strukturwandel hervorgeht oder im globalen Wettbewerb zurückfällt.

Noch hält sich Deutschland im internationalen Vergleich gut: Seit 30 Jahren beträgt der Anteil der Industrie an der Wertschöpfung rund 20 Prozent, während er in vielen anderen traditionellen Industrieländern nur noch bei einem Zehntel liegt.

Allerdings setzen Energiewende, Demografie und die fehlende Digitalisierung den Standort Deutschland massiv unter Druck. Hinzu kommen der Krieg in der Ukraine und die Frage, wie abhängig wir von anderen Weltregionen sind.

Um die zu erwartende Wachstumsschwäche der kommenden Jahre zu überwinden und gestärkt daraus hervorzugehen, muss sich Deutschland dringend stärker um seine Schlüsselindustrien bemühen.

Innovationen in der Pharma- und Biotechnologiebranche sind sehr wichtige Pfeiler, auf denen Wohlstand und Wohlfahrt in unserem Land ruhen. Was wir als Industrie jedoch benötigen, sind bessere Rahmenbedingungen, um wissenschaftliche Erkenntnisse schneller in Hochtechnologieprodukte zu übersetzen.

Konkret heißt das: Wir müssen die exzellente Grundlagenforschung hier am Standort in global erfolgreiche, neuartige Therapien für Patientinnen und Patienten überführen, Start-ups beim Wachstum unterstützen und Deutschland zu einem erfolgreichen Biotech-Produktionsstandort entwickeln sowie Wertschöpfung im Land schaffen und halten.

Deutschland hat gute Voraussetzungen, in der Pharma- und Biotech-Branche weltweit vorn mitzuspielen. Allerdings müssen wir mit Blick auf die ambitionierten Strategien anderer Nationen einen Gang zulegen, um dies auch zu erreichen.

Wenn wir über Veränderungen zu lange diskutieren, werden wir abgehängt

Auch heute noch sind Hunderte Krankheiten nicht oder kaum therapierbar, da der zugrunde liegende Krankheitsmechanismus unbekannt ist oder die verfügbaren Therapien nicht an den eigentlichen Ursachen ansetzen können. Zell- und Gentherapien setzen dagegen direkt auf zellulärer oder genetischer Ebene an und haben das Potenzial, das heutige Behandlungsspektrum deutlich zu erweitern.

Sie eröffnen völlig neue Möglichkeiten, den Umgang mit Krankheiten, unsere Gesundheitsversorgung und unsere Gesundheitssysteme grundlegend zu verändern, und bieten erhebliche Chancen für Patientinnen und Patienten.

Um diese bahnbrechenden Zukunftstechnologien Realität werden zu lassen, bedarf es der Zusammenarbeit aller – der Wissenschaft, der Politik und des privaten Sektors. Wir brauchen ein stabiles und florierendes innovatives Ökosystem, in dem der Wert von Gesundheitsleistungen und medizinischem Fortschritt belohnt wird.

>> Lesen Sie auch: US-Investoren setzen auf deutsche Biotech-Unternehmen

Die Biowissenschaften sollten – ähnlich wie in den USA oder China – auf verschiedenen Ebenen strategischen Vorrang für die Politik haben.

Ein schnellerer Übergang von Ideen zu marktreifen Produkten sollte für die Medizin der Zukunft Standard sein. Wir sollten daher weiter in die Umsetzung von akademischem Wissen in patientenrelevante Anwendungen investieren.

Wenn wir zu lange innehalten, um über die Veränderungen zu diskutieren, werden wir vom technologischen Fortschritt abgehängt. Aber wenn wir Erfolg haben, können wir Leben verändern. Dafür ist die gute Kooperation aller Beteiligten notwendig. 

Komplexe Regulierung bremst Deutschland und Europa bei klinischen Studien aus

Öffentliche Fördermittel sollten daher gezielt in den Aufbau von Translationsinfrastruktur investiert werden. Dazu gehören vor allem Produktions- und Entwicklungsanlagen, denn der fehlende Zugang zu Herstellungskapazitäten stellt eine der größten Hürden dar.

Zudem müssen wir besser werden bei klinischen Studien: Deutschland und Europa haben hier in den vergangenen Jahren deutlich Anteile verloren.

Das liegt vor allem an der regulatorischen Komplexität, verursacht durch langsame Genehmigungsverfahren und unterschiedlich agierende Länderbehörden, die zu langen Vorbereitungs- und Studienlaufzeiten führen. Hier muss es zu einer deutlichen Vereinheitlichung von Verfahren und Prozessen kommen.

Und zu guter Letzt sollten wir nicht vergessen, dass Innovationen im Gesundheitswesen entsprechend belohnt werden müssen. Daher ist es wichtig, dass wir unsere Bewertungssysteme zukunftsfest machen, um insbesondere den Fortschritt in der personalisierten Medizin abzubilden. Das kann etwa über die Dauer von Patentlaufzeiten geschehen oder über die Preise für innovative Medikamente und Behandlungen.

Diese Punkte sollte die Bundesregierung schnellstens auf den Weg bringen – unter anderem mit der vom Deutschen Bundestag geforderten Nationalen Strategie für Zell- und Gentherapien. Denn eines ist klar: Die Zukunft wartet nicht auf uns!

Der Autor:

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Stefan Oelrich ist Mitglied im Vorstand der Bayer AG und Leiter des Pharmageschäfts.

Mehr: Pharmaforschung: Was Deutschland von den USA lernen kann

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