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GastkommentarDeutschland muss seine Produktivität steigern

Unsere Wirtschaft ist robuster, als oft behauptet wird. Um das Potenzial langfristig zu stärken, muss Berlin aber Innovation und Forschung mehr fördern, mahnt Achim Wambach. 27.09.2023 - 09:09 Uhr Artikel anhören

Achim Wambach ist Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

Foto: Getty Images

Die schlechten Nachrichten über Deutschlands Wirtschaft häufen sich: Konjunktureinbruch, holprige Transformationsbemühungen, erhöhte Energiepreise und stockende Globalisierung. Doch die eigentliche Aufgabe geht über die kurzfristigen Entwicklungen hinaus.

Der „Economist“ fragt bereits an, ob Deutschland erneut der kranke Mann Europas sei. Nonsense. Das Fundament der deutschen Wirtschaft ist robust: Die Arbeitslosigkeit ist gering, eine Mehrheit der von EY befragten Investoren zählt Deutschland zu den drei Topstandorten in Europa, 2022 war es noch die Minderheit. Führungskräfte internationaler Unternehmen bewerten in großen Teilen das Qualifikationsniveau der deutschen Arbeitskräfte als attraktiv.

Die schlechten Nachrichten sind dennoch ernst zu nehmen. Deutschlands Konjunktur fällt im europäischen Vergleich zurück.

Nach einer Umfrage des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft denkt jeder fünfte Mittelständler über eine Geschäftsverlagerung aus Deutschland heraus nach, mehr als jeder vierte erwägt, sein Geschäft aufzugeben. Ausländische Direktinvestitionen in Deutschland sind auf dem niedrigsten Stand seit 2014.

Die Innovationskraft in Deutschland ist sehr hoch

Die Politik wird aktiv. Die Bundesregierung hat einen Zehn-Punkte-Plan aufgesetzt, um Wirtschaft und Wachstum zu stärken. Die Stoßrichtung stimmt.

Der Plan setzt weniger bei den kurzfristigen Konjunkturmaßnahmen an, sondern sieht es als „entscheidend für den Standort Deutschland (…) Wettbewerbsfähigkeit und Produktivitätssteigerungen“ zu erhöhen. In Anlehnung an den berühmten Wahlslogan von Bill Clinton „It‘s the economy, stupid“, der eher auf die Tageszahlen schaut, gilt: „It‘s the productivity, stupid.“

Warum, zeigt eine einfache Rechnung: Zwei Länder, die auf demselben Niveau beginnen, und von dem eines ein Wirtschaftswachstum von einem Prozent hat, das andere von drei Prozent liegen nach 15 Jahren bei der Wirtschaftsleistung um 30 Prozent auseinander, nach 30 Jahren um 80 Prozent.

Produktivitätswachstum entsteht aus Innovationen. Die Voraussetzungen dafür sind in Deutschland sehr gut.

Gerade erst hat eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft und weiterer Institute verschiedene Regionen nach ihrer Innovationskraft bewertet: Nach Massachusetts und Kalifornien liegt Baden-Württemberg auf Platz drei, Bayern folgt an siebter und Hessen an neunter Stelle.

Laut Innovationsindikator 2023, an dessen Erstellung das ZEW mit beteiligt ist, liegt Deutschland im Ländervergleich unter 35 Industrienationen und aufstrebenden Schwellenländern insgesamt auf Platz zehn, bei „Neuen Produktivitätstechnologien“ und „Kreislaufwirtschaft“ auf Platz eins beziehungsweise zwei.

Berlin sollte die Unternehmensteuern senken

Der Zehn-Punkte-Plan der Regierung greift eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen auf. Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, Bürokratie abbauen und Digitalisierung voranbringen stehen aber schon seit Langem auf der Agenda in Berlin. Eine höhere Priorisierung bei der Umsetzung wäre zu wünschen.

Andere Maßnahmen greifen zu kurz: Das Wachstumschancengesetz sieht steuerliche Erleichterungen für Unternehmen vor. Die sind nötig. Deutschland zählt mittlerweile bei Unternehmensteuern als Hochsteuerland.

Doch warum nicht konsequent sein und Steuern senken? Gerade international tätige Unternehmen rechnen sehr genau, in welchen Ländern sie investieren. Temporäre Verbesserungen verändern dieses Kalkül nicht.

Die Kritik der Kurzfristigkeit gilt auch für die Diskussion um den Brückenstrompreis. Aktuell wird überlegt, energieintensiven Unternehmen befristet reduzierte Strompreise zu ermöglichen.

Es ist unwahrscheinlich, dass neue Investitionen getätigt werden, wenn nur ein paar Jahre der Strom vergünstigt wird. Eine andauernde Strompreissubvention, die sich einige vielleicht von dieser Maßnahme erhoffen, führt aber dazu, dass ansonsten nicht lebensfähige Unternehmen erhalten bleiben.

Mehr Schaden kann man der Produktivität nicht zufügen – die Menschen wären an anderer Stelle wesentlich besser und produktiver eingesetzt. Die Diskussion um „Zombie-Unternehmen“ lässt grüßen.

Die Dekarbonisierung der Industrie soll durch sogenannte Klimaschutzverträge ermöglicht werden.

>>Lesen Sie hier: Was für deutsche Start-ups trotz Krise gut läuft

Gefördert wird dabei die (grüne) Produktion. Damit diese Industrien auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben, wäre es allerdings zielführender, die Förderung stärker auf Forschung und Entwicklung auszurichten. Das ermöglicht dann auch zukünftiges Produktivitätswachstum.

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist entscheidend, ob es gelingt, in der Breite der Wirtschaft Produktivitätswachstum auf Dauer zu ermöglichen. Eine gute Standortpolitik und eine konsequente Ausrichtung der Förderung auf Forschung und Innovation sind dafür wesentlich.

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Der Autor:

Achim Wambach ist Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

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