Prüfers Kolumne: Aber im Web3 leben? Nein, danke!

Tillmann Prüfer ist Mitglied der Chefredaktion des „Zeit-Magazins“.
Ich habe nun schon öfter gehört, dass das Web3 im Anmarsch ist. Was für mich eine seltsame Nachricht ist, weil es bedeutet, dass ich das Web2 bereits verpasst oder es zumindest nicht wahrgenommen habe. Ich habe wohl die ganze Zeit im sogenannten Internet zugebracht, nicht wissend, dass es schon das Internet Nummer zwei war.
Das Web3, so hörte ich, soll ein ganz anderes Internet sein. An der Oberfläche wird es noch so aussehen wie das Internet, das wir kennen, man wird sich mit einem Browser hindurchbewegen können. Innen im Web3 wird es aber keine zentralisierten Rechner mehr geben und keine zentralisierten Datenbanken. Es wird von keinen Megakonzernen wie Google oder Meta mehr beherrscht.
Stattdessen soll es komplett dezentral über Blockchains, Token und Dezentrale Autonome Organisationen laufen. Alles wird sehr transparent sein in diesem Netz. Und alles ist klar zugeordnet. Es wird vielleicht gar nicht mehr von einem Netz die Rede sein können, eher von einer Art Blockhaus, in das man nur mit Wertmarken kommt.
Angeblich ist es gerade so, dass man in Investorenrunden nur „Blockchain!“ und „Token!“ rufen muss, um mit Millionen zugeworfen zu werden. Zurzeit ist vom Web3 leider vor allem Ethereum und Bitcoin zu sehen, im weiteren Sinne also alles, was mit Kryptowährungen zu tun hat.
Es wird alles bestaunt, was mit Krypto zu tun hat. Es gibt sogar eine Krypto-Familie. Die niederländische Familie Taihutu hat 2017 all ihr Geld in Kryptowährungen gesteckt, nun ist sie reich. Vater Didi Taihutu hat 2017 seine Firma, das Haus, die Autos verkauft und alles, alles in Bitcoin investiert. Angeblich haben die Taihutus ihr Vermögen dabei versechzigfacht. Sie fahren einen Land Rover um die Welt, der mit einem großen Bitcoin-Logo beklebt ist.
Ich stelle mir vor, wie es gewesen wäre, wenn mein Vater unser Haus verkauft hätte und ich dann die ganze Zeit mit ihm in einem Land Rover hätte sitzen müssen. Ich glaube, es hätte mir nicht gefallen, selbst wenn er Millionär gewesen wäre.
Vater Didi Taihutu hat sich sogar ein Bitcoin-Symbol tätowieren lassen. Ich finde es seltsam, wenn Menschen sich Währungssymbole tätowieren lassen. Geld, gleich in welcher Konsistenz, sollte doch nur das Mittel dazu sein, ein schönes Leben zu führen, nicht der Zweck.
Nun will die Bitcoin-Familie nach Portugal ziehen. Dort muss man auf den Verkauf von Bitcoins keine Steuern zahlen. In Portugal will der Vater ein Kryptodorf aufbauen. Ich würde nicht sehr gerne nach Kryptodorf ziehen, wenn dann solche Leute meine Nachbarn sind. Und ich hoffe, dass im Web3 noch für andere Träume Platz ist als den, irgendwie besonders schnell viel Geld zu scheffeln.






Sonst bleibe ich gerne in Web2, falls mir jemand mal erklärt, was das ist.
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