Prüfers Kolumne: Die Arbeitswelt schaltet zurück in die 90er-Jahre

Deutschland verbringt nun das zweite Jahr in der Rezession, und langsam kommt diese Katastrophe auch am Arbeitsmarkt an. Zwei der beliebtesten Errungenschaften der modernen Arbeitswelt sind auf dem Rückzug: Homeoffice und die Viertagewoche. Der Anteil der Jobanzeigen mit Viertagewoche sank laut der Jobplattform Indeed 2024 um elf Prozent.
Was waren das für schöne Zeiten gewesen: Man konnte mit der Familie aufs Land ziehen und, statt eine Stunde Fahrt ins Büro ertragen zu müssen, den Vormittag auf dem Aufsitzrasenmäher verbringen. Zur Not konnte man von dort auch eine Videokonferenz führen, solange die Software im Hintergrund die Büromöbellandschaft mit Gummibaum eingeblendet hat.
So schön war die Welt. Die Kaffeeküchen blieben sauber, niemand musste sich über die Einstellungen der Klimaanlage im Großraumbüro streiten. Doch nun schaltet die Arbeitswelt zurück in den 90er-Jahre-Modus: Präsenz ist wieder gefragt. Statt eines Zoom-Calls, bei dem man herrlich abschalten konnte, gibt es nun wieder „Hast du mal eine Minute?“-Gespräche, die zuverlässig 45 Minuten dauern, Schlangen vor der langsam vor sich hin mahlenden und brühenden Kaffeemaschine und Verzweiflung am Drucker. Besonders Freude werden die Geburtstagsrunden mit einer gigantischen Packung Butterkekse und Hagelzucker bereiten.
Die Zeiten sind vorbei, in denen man aus Tiktok Firmenvideos posten musste, die vom Obstkorb schwärmten. Stattdessen reicht nun wieder die Büromikrowelle, die immer nach altem Fisch riecht. Wir hatten uns doch so gefreut, dass man ein gutes Einkommen haben konnte, ohne nur einmal am Tag aus der alten Jogginghose herauszusteigen, und dass man bei der Videokonferenz einfach nur die Kamera ausschalten musste, um das ganze Meeting mit aufs Klo nehmen zu können (manchmal hatte man es trotzdem vergessen).
Jobs, bei denen man zweimal im Monat das Büro aufsuchen sollte, galten schon als Zumutung. Und dass man für einen Arbeitsplatz in Gütersloh nicht einfach in München bleiben konnte – warum nicht? In vielen Büros wurden ganze Flächen geschlossen. Man brauchte den Platz ja nicht mehr in der schönen neuen Arbeitswelt.
Es sind dieselben Büros, in denen sich nun die Mitarbeiter um die wenigen verbliebenen Schreibtische prügeln, weil sie Angst haben, in der nächsten Kündigungswelle dabei zu sein, wenn sie nicht genügend Präsenz zeigen. Wenigstens eine funktionierende Kaffeemaschine gibt es noch in den meisten Büros.


Vielleicht ist das alles nur eine Phase. Die Wirtschaft schwankt, Unternehmen reagieren reflexhaft, und Arbeitnehmer warten ab. Der nächste Arbeitskräftemangel kommt bestimmt.
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Erstpublikation: 15.03.2025, 10:33 Uhr.






