EU-Kolumne: Rechtsruck in Österreich – Brüssel fürchtet Blockade in der EU

Brüssel. Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) hat am Sonntag bei der Nationalratswahl laut dem vorläufigen Endergebnis 28,8 Prozent der Stimmen erhalten und ist damit die stärkste Kraft. In Brüssel befürchten EU-Kommissionsbeamte nun, dass im Rat der 27 Mitgliedstaaten künftig noch mehr nationale Blockaden drohen.
Es werde immer schwieriger, EU-Projekte umzusetzen, heißt es in der Behörde. Das Wahlergebnis irritiert Brüsseler Beamte, denn es scheint einen europaweiten Trend fortzusetzen: Rechte Parteien legen zu und vergrößern ihren Einfluss auf die Politik in den Hauptstädten und in Europa. Das bedeutet eine Verstärkung der nationalen Argumente auf Kosten einer europäischen Herangehensweise.
Dabei ist noch unklar, wer in Wien die Regierung bilden wird. Denkbar sind Koalitionen mit und ohne FPÖ. Durch den Wahlsieg haben die Freiheitlichen um Wahlsieger Herbert Kickl jedenfalls einen legitimen Anspruch auf das Kanzleramt. Die Partei war im Übrigen schon an mehreren Regierungen beteiligt, neu wäre das also nicht. Dennoch halten die anderen Parteien Kickl möglicherweise von der Macht fern.
Immer mehr rechte Regierungen in Europa
Im EU-Rat sitzen inzwischen vier rechte Regierungen: Ungarn, Slowakei, Italien, Niederlande. Hinzu kommen die Regierungen in Schweden und Frankreich, die von rechten Parteien toleriert werden. Ihre Anliegen und ihr Auftreten variieren, aber einig sind sie sich beim härteren Kurs gegen die Migration und bei der Kritik am Klimaschutz.
Welchen Unterschied es macht, wer in der Regierung sitzt, zeigte im Juni die bisherige österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler. Die Grünen-Politikerin stimmte im EU-Rat für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – und setzte sich damit über den Willen des konservativen Koalitionspartners hinweg. Bundeskanzler Karl Nehammer tobte über den Vertrauensbruch, doch die EU-Verordnung wurde dank Österreichs Stimme beschlossen.
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Nun verschiebt sich die Balance im EU-Rat weiter nach rechts – mit entsprechenden Folgen für die Debatten. Auf dem nächsten EU-Gipfel soll die illegale Migration eine zentrale Rolle spielen. Den aktuellen Anlass liefert ausgerechnet die Ampelkoalition in Berlin, die kürzlich landesweite Grenzkontrollen eingeführt hat.
Ob die gerade beschlossene EU-Asylreform diesen Rückfall ins nationale Denken überlebt, wird sich zeigen. Für die Umsetzung der Reform soll künftig ein Österreicher zuständig sein: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat Magnus Brunner von der Österreichischen Volkspartei zum designierten Kommissar für Migration ernannt. Es könnte sich als geschickter Schachzug entpuppen, um die Dauerkritik aus dem Rat am europäischen Asylchaos zu entschärfen.



Vor allem jedoch könnte der Rechtsruck in EU-Rat und Europaparlament Folgen für Klimaschutz und Industriepolitik haben, fürchten EU-Beamte. Denn die lenkende Rolle, die Brüssel beim grünen Umbau der Wirtschaft spielen will, stößt im rechten Lager auf Widerstand.
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