Homo oeconomicus: Es spricht viel für stärkere Unterstützung der Ukraine

Die USA und Russland verhandeln derzeit über das Schicksal der Ukraine. Deutschland und die EU sitzen nicht mit am Tisch, obwohl es um zentrale europäische Interessen geht – denn die eigene Sicherheit steht auf dem Spiel. Für die USA ist die Ukraine ein geopolitisches Randthema. Für Europa geht es um mehr.
Schon ökonomisch spricht vieles für eine stärkere Unterstützung der Ukraine. Eine erfolgreiche Verteidigung hält die militärische Bedrohung auf Distanz. Sollte der Krieg näher an die EU rücken – etwa an die Grenzen Polens oder Rumäniens – würde das auch Investitionen in Deutschland unattraktiver machen. Sicherheit in unseren östlichen Nachbarländern liegt im ureigensten wirtschaftlichen Interesse Deutschlands.
Zudem profitieren wir wirtschaftlich von einer freien, souveränen Ukraine. Das Land verfügt über wichtige Rohstoffe und eine starke Landwirtschaft. Das Handelsvolumen ist vergleichbar mit dem von Griechenland oder den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Auch für deutsche Unternehmen bietet die Ukraine Potenzial. Im Falle eines russischen Siegs wären diese Investitionen akut gefährdet. Hinzu käme eine neue Fluchtbewegung. Hunderttausende oder Millionen weitere ukrainische Flüchtlinge würden Deutschland vor erhebliche fiskalische und gesellschaftliche Herausforderungen stellen.
» Lesen Sie auch: Eine Billion in der Portokasse darf kein konjunkturelles Strohfeuer auslösen
Kurz: Die Unterstützung der Ukraine ist ökonomische Vernunft. Sie ist die Verteidigung der EU-Außengrenze – und damit der wirtschaftlichen und politischen Stabilität Europas.
Dennoch ist Deutschlands Beitrag im Vergleich zu anderen engagierten Ländern begrenzt. Zwar verweist die Bundesregierung auf hohe absolute Zahlen. Doch gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt unsere Militärhilfe bei unter 0,1 Prozent – deutlich weniger als die über 0,3 Prozent in baltischen und skandinavischen Ländern.
Rechnet man humanitäre und finanzielle Hilfe sowie den deutschen Anteil an EU-Hilfen hinzu, ergibt sich ein Gesamtbeitrag von rund 0,2 Prozent des BIP – etwa neun Milliarden Euro. Auch historisch ist das nicht viel: Im ersten Irak-Krieg 1990/91 mobilisierte Deutschland rund 0,4 Prozent des damaligen BIP – doppelt so viel wie heute für die Ukraine.
Trump hat in einem Punkt recht
Bei allem Entsetzen über das Vorgehen von Donald Trump – er hat recht damit, dass Europa, insbesondere Deutschland, die Ukraine bislang zu wenig unterstützt hat. Die Unterstützung der Ukraine ist keine Frage der Nettigkeit. Sie ist eine Frage strategischer Klugheit.
Das gilt auch für die Sanktionen. Russland behauptet, sie wirkten nicht – verlangt aber nun ihre Aufhebung als Bedingung für einen Waffenstillstand. Das zeigt, dass sie sehr wohl Wirkung entfalten.
Gerade jetzt wäre es ein Fehler, über Lockerungen nachzudenken. Im Gegenteil: Die Sanktionen sollten konsequenter durchgesetzt werden – etwa durch ein entschiedeneres Vorgehen gegen die russische Schattenflotte in der Ostsee oder die Umgehung über Offshore-Finanzplätze.






Europa muss seine Position unabhängig von der US-Politik vertreten. Die Sanktionen sind ein Hebel, um eigene Interessen zu wahren – und zu zeigen, dass Europa geopolitisch handlungsfähig ist.
Mehr: Die Deutsche Bahn leidet an unrealistischen und romantisierenden Vorgaben






