1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. D-Day: Die FDP hat sich selbst ins Desaster manövriert

D-Day-PapierDie FDP schadet sich selbst – und dem Land

Die Zukunft der Liberalen steht auf dem Spiel – und dafür ist allein die Parteiführung verantwortlich. Für Deutschland und den Liberalismus ist das eine traurige Nachricht. Ein Kommentar.Leila Al-Serori 01.12.2024 - 14:26 Uhr aktualisiert
Artikel anhören
FDP-Chef Christian Lindner: Die D-Day-Affäre belastet den Wahlkampf seiner Partei. Foto: dpa

Die FDP hat also tatsächlich ein Drehbuch für den Koalitionsausstieg verfasst. So wie sich die Lage darstellt, bräuchte sie nun aber vor allem ein Drehbuch, wie sie aus dieser Sache wieder herauskommt.

Seit Mitte November die ersten Berichte erschienen, dass die Liberalen seit Frühherbst das Ende der Bundesregierung vorbereitet hatten, ist bei der Partei nichts mehr, wie es war. Am Donnerstag dann, als das konkrete Papier an mehrere Medien durchgestochen wurde, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis personelle Konsequenzen gezogen wurden. Alle Beschwichtigungen halfen jetzt nichts mehr. Die Behauptung der Parteiführung, von diesen konkreten Plänen nichts gewusst zu haben, waren unglaubwürdig und unredlich.

Am Freitag trat Bijan Djir-Sarai als Generalsekretär zurück. Der Schritt war unvermeidlich, schließlich war es Djir-Sarai, der gesagt hatte, der Begriff „D-Day“ sei nicht gefallen. Der Generalsekretär hatte also entweder keine Ahnung, was in seinem eigenen Haus abgeht, oder er hatte gelogen. Beide Szenarien sind Anlass genug für einen Rücktritt. Er selbst sagte am Freitag, er habe „unwissentlich falsch über ein internes Dokument informiert“. Der frühere Bundesjustizminister Marco Buschmann soll ihm nachfolgen.

Dieser Personalaustausch allein wird allerdings bei Weitem nicht ausreichen, um das Vertrauen in die Partei wiederherzustellen. Der entstandene Schaden ist zu groß – für die FDP selbst, aber auch für das Land. Die Planspiele der Partei und die Täuschungsversuche, die dahinter steckten, widersprechen zutiefst dem notwendigen Anspruch, verantwortungsvoll zu regieren. Hier geht es um Grundsatzfragen.

Rhetorik des Papiers lässt sich nicht beschönigen

Allein die Rhetorik: Da ist zum einen der Begriff D-Day. Aus dem Englischen kann das mit „Tag der Entscheidung“ übersetzt werden. Im Deutschen ist damit aber vor allem die Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas von den Nazis gemeint.

Dann die im Papier illustrierte D-Day-Ablaufpyramide mit vier Phasen, die letzte davon heißt tatsächlich: „Beginn der offenen Feldschlacht“. Dazu wurde akribisch und detailliert jeder einzelne Schritt in der Pressearbeit notiert, wer wann angerufen werden sollte, welches Video wann und wie auf Social Media geteilt wird.

Das alles klingt nicht nur skandalös, es ist ein handfester Skandal, der die Existenz der Partei gefährden kann. Da kann FDP-Chef Christian Lindner noch so sehr behaupten, dass auch die anderen Ampelparteien solche Planspiele entwarfen. Und die Liberalen haben ja nicht nur mit martialischer Wortwahl den Koalitionsbruch geplant, sie haben auch als es herauskam beschönigt und beschwichtigt, möglicherweise sogar gelogen. Auch Lindner sagte vergangene Woche nach den ersten Berichten noch: „Es ist Wahlkampf. Wo ist die Nachricht?“ Im Handelsblatt-Interview holte er gegen den früheren Koalitionspartner aus und warf der SPD vor, seine Partei zerstören zu wollen. Nach Veröffentlichung des D-Day-Papiers hielt er daran fest, nichts davon gewusst zu haben. Soll man wirklich glauben, dass Lindner als Parteichef nicht im Bilde war?

Wie schädlich ist das „D-Day“-Papier für die FDP?

29.11.2024
Abspielen 37:08

Die Öffentlichkeit fühlt sich zu Recht getäuscht, aber auch die Mitglieder der Partei selbst. Das Vertrauen in die FDP und ihr Führungspersonal ist tief erschüttert. Kaum vorstellbar, wie sich die Partei in nur drei Monaten bis zur Bundestagswahl aus diesem Desaster wieder herausmanövrieren kann. Den Willen für eine selbstkritische Aufarbeitung lässt die Parteiführung bisher vermissen.

Wo finden liberale Wähler ihre politische Heimat ohne FDP?

Dass die Liberalen sich nun womöglich in Eigenregie ihren Weg in den Bundestag versperrt haben, bringt aber auch die Frage auf, was künftig all die Menschen wählen sollen, die die FDP bisher als ihre politische Heimat gesehen haben und sich nun abwenden?

Gut möglich, dass sich vor allem die Union schon bereithält, genau diese Wählergruppe anzusprechen, wahrscheinlich auch mit Erfolg bei dem ein oder anderen. Ein Bundestag ohne Partei mit genuin liberalem Anspruch wäre aber nicht nur eine schlechte Nachricht für den Liberalismus als solchen, sondern auch für Deutschland.

Der Liberalismus ist schließlich eine der traditionellen politischen Strömungen in Deutschland. Er füllt die Lücke zwischen konservativen und sozialistischen Ansätzen, gilt als Gegenpol zu staatlicher Überregulierung. Die Liberalen wollen die individuelle Freiheit und die Marktwirtschaft hochhalten, sprechen sich für weniger Bürokratie aus. Diese Positionen haben ihre Berechtigung im Bundestag. Bis auf die Unterbrechung zwischen 2013 und 2017 war die FDP seit 1949 durchgehend im Parlament vertreten.

Verwandte Themen FDP Bundestagswahl Deutschland Christian Lindner

Deutschland hat Bedarf an einer liberalen Partei, allerdings an einer, die verantwortungsvoll für das Land und nicht nur für sich selbst agiert. Eine liberale Partei, die nicht beschwichtigt oder gar lügt, um skandalträchtiges Verhalten zu vertuschen, sondern eine, die ihre liberalen Werte auch lebt. Gerade vor dem Hintergrund der tiefen ökonomischen Krise, die Europas größte Volkswirtschaft derzeit durchlebt. Die FDP ist nicht überflüssig, wie manche gerne ätzen. Aber momentan wirkt es so, als würde sie sich selbst überflüssig machen.

Mehr: „Offene Feldschlacht“ – Wie die FDP den Koalitionsbruch plante

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt