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KommentarDen Preis für die Trägheit der Nato zahlt die Ukraine

Hinhalten, zögern, beschwichtigen – auch bei dem Nato-Gipfel in Vilnius zeigt sich das westliche Muster gegenüber Kiew. Eigentlich sollte das Bündnis aus alten Fehlern lernen.Mareike Müller 12.07.2023 - 18:19 Uhr
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Offen und vehement hatte Wolodimir Selenski einen echten Zeitplan für den Beitritt seines Landes zum westlichen Verteidigungsbündnis gefordert.

Foto: dpa

In Vilnius macht Wolodimir Selenski dieser Tage gute Miene zum bösen Spiel: Die Nato hat sich dagegen entschieden, eine offizielle Einladung zum Beitritt seines Landes auszusprechen.

Dennoch lässt sich der ukrainische Präsident seine Enttäuschung, ja Verärgerung nicht anmerken, als er im Zentrum der litauischen Hauptstadt vor die Öffentlichkeit tritt.

Den Staats- und Regierungschefs der Nato-Mitgliedstaaten gegenüber gibt sich Selenski härter, und das zu Recht. Denn die Ukraine befindet sich in einer äußerst schwierigen Lage.

Offen und vehement hatte Selenski einen echten Zeitplan für den Beitritt seines Landes zum westlichen Verteidigungsbündnis gefordert. Nichts dergleichen ist geschehen, vor allem wegen des Widerstands der USA und Deutschlands.

Es mag gute Argumente geben, warum es nicht klug ist, einem Land, das sich im Krieg befindet, einen konkreten Zeitplan für einen Nato-Beitritt zu geben:

    Erstens weiß niemand, wie lange dieser Krieg noch dauern wird, wobei aber nicht einmal die Ukraine selbst den Anspruch erhebt, in Kriegszeiten beizutreten, sondern eine Verpflichtung zur Einladung nach dem Krieg fordert.Zweitens geht mit einer festen Zusage inklusive Zeitplan eine Verbindlichkeit einher, die die Nato in die Nähe einer Beistandspflicht – mit einer möglichen direkten militärischen Konfrontation mit der Atommacht Russland – rücken könnte.

Dennoch passt auch diese Zurückhaltung in Vilnius in das westliche Muster im Umgang mit der Ukraine, das durchaus kritisch zu beurteilen ist: hinhalten, zögern, beschwichtigen. Das gilt für die Waffenlieferungen und das gilt für die Integration in die wichtigen westlichen Institutionen – sei es die Nato oder auch die Europäische Union.

Der Beitritt zur Nato etwa wurde der Ukraine in Bukarest bereits 2008 versprochen, für einen Zeitpunkt irgendwann in der Zukunft – was Russlands Präsident Wladimir Putin nicht davon abhielt, seine „kleinen grünen Männchen“ 2014 in das Nachbarland zu schicken, im Osten der Ukraine Krieg zu führen, die Krim zu annektieren oder schließlich im Februar 2022 eine Invasion zu starten.

Nun gehen die Ergebnisse aus Vilnius nicht weit darüber hinaus. Zwar will die Allianz im Fall der Ukraine auf das Vorbereitungsprogramm „Membership Action Plan“, kurz MAP, verzichten, der Beitritt soll aber keinesfalls während des Kriegs erfolgen, wogegen die Ukraine keine Einwände hat, sondern erst, „wenn die Verbündeten sich darüber einig sind, dass die Bedingungen erfüllt sind“.

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Die Sache ist kompliziert, der Westen steckt in einem Dilemma: Natürlich könnte Putin den Krieg ewig weiterlaufen lassen, wenn die Ukraine nach dessen Ende automatisch der Nato beitreten würde – aber eben auch, wenn er weiß, dass die Nato nicht voll und ganz hinter der Ukraine steht.

Die inneren Zweifel der Allianz sind auch nach außen sichtbar, und zwar bis nach Moskau. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagt einerseits, die Ukraine werde „Teil der Nato werden“, nennt aber aus den genannten Gründen keine genauen Daten. Solch eine offensichtliche Inkonsequenz spielt natürlich am Ende auch dem Herrscher im Kreml in die Hände.

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Bei den Waffenlieferungen kündigten einige Staaten, darunter auch Frankreich und Deutschland, zwar bilaterale Unterstützung an, doch eine frühzeitige Abstimmung hätte der Ukraine weit mehr gebracht. Medienwirksam brüsten sich die Staats- und Regierungschefs in Vilnius individuell mit ihren neuen Unterstützungspaketen. Doch die Ukraine hätte all diese Waffen weitaus früher gebraucht, um sie in der Gegenoffensive einzusetzen.

Damit wiederholt die Nato einen weiteren alten Fehler: Auch die vergangenen Entscheidungen für Waffenlieferungen kamen stets so zögerlich, dass sie ihre mögliche maximale Wirkung auf dem Schlachtfeld nicht entfalten konnten. Dabei bräuchte die Ukraine gerade jetzt, wo die Gegenoffensive nur schleppend vorangeht, bedingungslose Unterstützung.

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