Kommentar: Der Börsengang von Saudi Aramco ist für die Menschen eine gute Nachricht

Der Börsenstart von Saudi Aramco brachte dem Königreich 25,6 Milliarden Dollar ein.
Ausgerechnet am Tag, an dem die schwedische Aktivistin Greta Thunberg vor Politikern aus aller Welt auf der Klimakonferenz in Madrid einen flammenden Appell für mehr Klimaschutz hielt, ging der Börsengang des weltgrößten Ölkonzern Saudi Aramco in Riad über die Zielgerade. Zufall oder nicht – das Zusammentreffen zeigt Chancen und Probleme des Staatsunternehmens auf. Denn Ölaktien und Klimawandel vertragen sich nicht.
Dennoch ist der Börsengang von Saudi Aramco ein voller Erfolg. Der erste Kurs lag zehn Prozent über dem Ausgabepreis. Der Anstieg trieb den Börsenwert des teuersten Unternehmens der Welt auf 1,88 Billionen Dollar – eine Zahl, die nicht mehr weit entfernt ist von den vom mächtigen saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman erhofften zwei Billionen Dollar.
Der Börsenstart brachte dem Königreich 25,6 Milliarden Dollar ein, durch Zusatzaktien aus einer Mehrzuteilungsoption könnten die Einnahmen sogar bis auf 29,4 Milliarden Dollar steigen.
Allerdings sehen führende Finanzhäuser und Fonds den Wert Aramcos als deutlich niedriger an. Einer der wichtigsten Gründe für diese Skepsis: Eine Ölaktie passt so gar nicht zum neuen Megatrend Green Finance, der permanent an Fahrt gewinnt.
Um den Börsengang trotz dieses Handicaps zum Erfolg zu machen, setzten die Verantwortlichen alle Tricks ein. Die Aktie wird nur an der Heimatbörse Tadawul in der Hauptstadt Riad gehandelt – statt in New York oder London, wie ursprünglich geplant. Die Aktienkäufe konzentrierten sich auf staatliche saudische Fonds und die Staatsfonds befreundeter Golfstaaten.
Zugleich wurde in landesweiten Kampagnen, das Zeichnen der Aramco-Anteile zur „patriotischen Pflicht“ erklärt. Massiven Druck übte das Königshaus auch auf saudische Milliardärsfamilien aus, um sie zum Aktienkauf in großem Stil zu bewegen.
Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurden zudem zehn Prozent Bonusaktien für Käufer ausgelobt, die Aramco-Papiere mindestens ein halbes Jahr halten. Und es erfolgte die Zusage für eine Dividende auf globalem Rekordniveau. Das alles hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
US-Konzerne auf die Plätze verwiesen
Doch das ist nur die eine Seite des historischen Börsengangs. Mit der Megaplatzierung stellt Aramco den 25 Milliarden Dollar schweren Börsengang des chinesischen Internethändlers Alibaba genauso in den Schatten wie die Bewertungen der US-Tech-Riesen Apple und Microsoft.
Hinter der großen Nachfrage nach den saudischen Ölaktien stehen stichhaltige Argumente: Aramco verfügt über ein Fünftel der globalen Ölreserven sowie über Gasvorkommen, deren Umfang bislang noch gar nicht feststeht. Der Konzern fördert heute jedes zehnte Barrel (je 159 Liter) Rohöl, das pro Tag auf der Erde verbraucht wird.
Und nicht nur das, Aramco arbeitet auch profitabler als alle anderen Konkurrenten. Die Förderkosten der Saudis liegen mit rund drei Dollar pro Barrel extrem niedrig. Auch beim Umweltschutz setzt Aramco Industriestandards. Der Konzern reduziert das klimaschädliche Abfackeln von Gasen, die durch die Ölförderung entstehen und führt neue Fördermethoden ein.
Außerdem ist es trotz des Ausbaus von erneuerbaren Energien und der Elektromobilität keineswegs ausgemacht, dass der Ölverbrauch in Kürze drastisch zurückgehen wird. Noch übersteigt die jährliche Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren die Anzahl neu zugelassener Elektroautos um ein Vielfaches. Zudem werden Öl und Gas auf längere Sicht noch ein begehrter und benötigter Rohstoff für die Chemie sein.
Ein weiterer Pluspunkt: Die Aramco-Aktie bietet allein schon deshalb Kurspotenzial weil das Unternehmen gute Chancen hat, in die global führenden Aktienindizes aufzurücken, was bedeutet, dass Fonds, die sich an diesen Indizes orientieren, nachkaufen müssen. Trotz dieser langen Liste von Vorteilen gibt es natürlich genauso viele Argumente, die gegen den Kauf „schmutziger“ Ölaktien sprechen.
Hoffnung auf Liberalisierung
Beim weltgrößten Börsengang geht es aber ohnehin nicht nur um Aktienkurse und Umwelt: Mit den Milliarden wird der Aufbruch von Saudi-Arabien in die Moderne befördert. Man mag den machthungrigen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht mögen und vieles an seiner Strategie ist grundsätzlich falsch, sei es die politische Repression, die Ermordung des oppositionellen Bloggers Jamal Khashoggi, der Krieg im Jemen und die Blockade des kleinen Nachbarn Katar.
Doch mit der geplanten Öffnung Saudi-Arabiens liegt bin Salman richtig. Die Reformen geben Millionen junger Saudis Hoffnung. Die Öffnung schafft Jobs und bietet auch deutschen Firmen Investitionschancen in der größten Volkswirtschaft am Golf. Scheitert der Kronprinz, scheitern die saudischen Reformen. Denn bin Salman steht für Markt, Umbau und den Weg zu einem liberalen Islam.
Deshalb ist der Erfolg des Börsengangs so wichtig. Aramco wird wegen seiner schieren Größe auch im Zeitalter des Klimawandels noch längere Zeit Bestand haben. Der Konzern ist zwar ein Dinosaurier des fossilen Zeitalters. Er wird aber noch nicht so bald aussterben.





