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KommentarSo schädlich sind Crash-Propheten für die Anleger

Ein Minimum an Optimismus ist in allen Bereichen lebenswichtig. Auch bei der Geldanlage: Die Schwarzmalerei der Crash-Propheten wirkt sich direkt auf Depot und Altersvorsorge aus.Frank Wiebe 22.12.2019 - 16:08 Uhr

Es gibt also durchaus ein Risiko, mit Aktien auch langfristig auf großen Verlusten sitzen zu bleiben. Nur: Dieses Risiko ist relativ klein, deswegen ergibt es keinen Sinn, die ganze Anlagestrategie darauf abzustellen.

Foto: mauritius images / Westend61

Kapitalmärkte sind unberechenbare Kreaturen. Sie entwickeln sich meist anders als von Experten erwartet. Sie scheinen menschliche Emotionen zu verspotten: Gerade wenn der Optimismus überschäumt, droht Absturzgefahr. Auf der anderen Seite: Wenn die Stimmung gründlich verdorben ist, streicht oft genug ungenutzt die beste Einstiegschance vorbei.

Und genau hier liegt ein ernstes Problem: Für Investoren kann zu viel Vorsicht ein eigenes Risiko werden, weil sie dazu führt, wichtige Chancen zu verpassen. Wer gar nichts riskiert, handelt sich meist einen sicheren Wertverlust ein – ob nun früher über die höhere Inflation oder heute über unter null liegende Zinsen für die ganz sicheren Wertpapiere.

Ein anderes Problem ist, dass zu viele falsche Theorien, meist mit eigennützigem Beweggrund, verbreitet werden. Die Aktienlobby versucht uns einzureden, auf lange Sicht bestehe praktisch gar kein Verlustrisiko in dieser Anlageklasse. Das ist trügerisch.

Es hat hin und wieder Totalabstürze oder extrem lange Schwächephasen gegeben. Die japanischen Börsen haben ihren Höhepunkt von Ende der 80er-Jahre seither nie mehr erreicht. Der Neue Markt in Deutschland, ein großes Thema kurz vor der Jahrtausendwende, ist in der Versenkung verschwunden. Der Dow-Jones-Index in den USA brauchte nach der Krise der 30er-Jahre rund ein Vierteljahrhundert, um sich zu erholen.

Es gibt also durchaus ein Risiko, mit Aktien auch langfristig auf großen Verlusten sitzen zu bleiben. Nur: Dieses Risiko ist relativ klein, und deswegen ergibt es keinen Sinn, die ganze Anlagestrategie darauf abzustellen.

Eine ganz schlechte, ebenfalls eigennützige Rolle spielen die Crash-Propheten. „Sex sells“ mag stimmen, „Crash sells“ stimmt auf jeden Fall. Das Risiko dieser Auguren ist gering: Trifft der Crash nicht ein, vergisst man sie. Gibt es einen Einbruch, dann haben sie rechtzeitig gewarnt, weil sie ohnehin ständig gewarnt haben: Eine Uhr, die steht, geht auch zweimal am Tag genau richtig.

Die Stimmung, die diese Leute verbreiten, verzerrt die Risikowahrnehmung. Der ganz große Zusammenbruch, ein eher unwahrscheinliches Ereignis, erscheint manchen Deutschen so als beinahe unausweichlich. Verknüpft wird diese Schwarzmalerei gerne damit, den Euro schlechtzureden und Gold zu verkaufen. In Deutschland machen manche Autoren zusätzlich lustvoll ihr eigenes Land schlecht, um die Auflage zu steigern.

Zu viel Angst vor Blasen

Die Folgen sind verderblich. Erstens trauen sich viele Anleger gar nicht erst an Anlagen heran, die mit Risiken verbunden sind, und verzichten so auf eine wahrscheinlich auskömmlichere Altersvorsorge. Hinzu kommt: Jede Börsenbaisse wird als Vorbote des Super-Crashs empfunden, was dazu führt, dass nur abgebrühte Profis die Chance nutzen, zu niedrigen Kursen einzusteigen.

Zugegeben, es gibt heute Signale, die können einen nachdenklich stimmen. Negative Zinsen wirken absurd. Ein unendlich langer Aufschwung scheint zu schön, um wahr zu sein. Der weltweite Schuldenberg ist größer als je zuvor.
Aber das ist nicht die ganze Story. Real gerechnet, nach Abzug der Inflation, gab es Minuszinsen schon häufig. Die Abschaffung der Inflation, eigentlich ein Fortschritt, lässt das Bild nur deutlicher zutage treten. Gemessen an der globalen Wirtschaftsleistung ist die Verschuldung seit 20 Jahren nur wenig gestiegen.

Rechnet man ein, dass die Zinsen heute sehr viel niedriger sind, zeigt sich eine weitaus geringere Last als damals. Diese niedrigen Zinsen sind auch ein plausibler Grund für die hohe Bewertung von Aktien und zum Teil auch Immobilien. Blasen an Märkten entstehen meist, wenn die Werte ohne plausiblen Grund, getragen von überschäumendem Optimismus ansteigen – das ist heute nicht der Fall.

Der Kapitalismus passt sich an

Vor allem aber: Immer wieder zeigt sich, dass der internationale Kapitalismus enorm anpassungsfähig ist. Bei allem Stress, den die Politik mit dem globalen Handelskonflikt oder dem chaotischen Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union schafft: Die Wirtschaft kommt auch mit schlechter Politik erstaunlich gut zurecht.

Der Welthandel bricht trotz des permanenten Streits zwischen China und den USA nicht zusammen, die Lieferketten organisieren sich zum Teil recht schnell neu. Die Briten werden ihr Politik-Chaos überleben, wahrscheinlich behält London zu einem guten Teil die einmalige Position als Finanzstandort, der nur noch in New York einen ernsthaften Konkurrenten hat.

Deutschland hat trotz massiver, zum Teil selbst verschuldeter Probleme in der Autoindustrie eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit. Und selbst für die Politik gilt: Unvollkommene Strukturen wie die Europäische Union sind erstaunlich überlebensfähig, weil viele Menschen ihren Nutzen erkennen.

Heißt das, es gibt keine Risiken? Nein, natürlich nicht. Aber wahrscheinlich kommt nach jeder Krise bald ein neuer Aufschwung. Heißt das, dass ein ganz großer Crash völlig ausgeschlossen ist? Auch das nicht. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass ein Krieg ausbricht oder dass wir in zwei Jahren eine schwere Krankheit bekommen.

Richten wir unsere Lebensplanung auf solche Ereignisse aus? Nein, und das ist auch richtig so. Ein Minimum an Optimismus ist in allen Bereichen lebenswichtig.

Mehr: Gold, US-Staatsanleihen, der japanische Yen und chinesische Anleihen gelten als Absicherung in schwierigen Zeiten. Was Anleger beachten müssen.

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