Morning Briefing Plus: Lasst die neue Regierung doch erst einmal machen!

willkommen zurück zu unserem Blick auf die Themen, die uns diese Woche am meisten bewegt haben.
Bestünde die Welt nur aus dem, was auf der Plattform X zu lesen ist, wäre die neue Bundesregierung schon gescheitert, bevor sie begonnen hat. „Guter Wirtschaftsmanager macht noch keinen guten Politiker“, schrieb der eine, vor „Klientelpolitik für alte Arbeitgeber“ warnte eine andere, über ein „Nachäffen“ der Regierung von Donald Trump lästerte ein Dritter. Das waren noch die moderaten, die klügeren Kommentare.
Kern der Kritik: Friedrich Merz’ Berufung von Managern ins Kabinett, namentlich von Katherina Reiche zur Wirtschaftsministerin, von Karsten Wildberger zum Digitalminister und des Medienunternehmers Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister.
Keine Frage: Es ist die Aufgabe von Beobachtern, Personalien kritisch zu hinterfragen, vor allem dann, wenn die Grundsatzkritik so fundiert ist, wie sie der „FAZ“-Herausgeber Jürgen Kaube vorgebracht hat: Er hat Weimers einst veröffentlichtes „konservatives Manifest“ als „intellektuelle Laubsägearbeiten“ diskreditiert und ihm nicht nur inhaltliche Fragwürdigkeit, sondern faktische Schlampigkeiten vorgehalten.

Und dennoch muss man fragen: Warum soll es Weimer trotz seiner zum Populistischen neigenden Talkshowauftritte in der Vergangenheit nicht möglich sein, künftig die „rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kultur- und den Medienbereich über die Bundesgesetzgebung kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu verbessern“ oder „für die kulturelle Repräsentation des Gesamtstaates in der Bundeshauptstadt Berlin zu sorgen“, wie zwei seiner künftigen Aufgaben beschrieben sind?
Gleiches gilt für Reiche und Wildberger: Welchen Anlass gibt es zur Vermutung, sie wären mit dem Seitenwechsel nicht in der Lage, sich von den Interessen ihrer bisherigen Arbeitgeber zu lösen? Mir ist jedenfalls keiner bekannt, der Verdacht ist also nicht mehr als bloße Unterstellung.
Die Lust an der prophetischen Fundamentalkritik hat überhandgenommen, sie raubt den künftigen Akteuren jede Möglichkeit, sich im Amt vorurteilsfrei beweisen zu können.

Teils sind die Politiker daran aber auch selbst schuld, wenn sie etwa in diesen Tagen bereits ankündigen, was sie alles planen, ohne konkret werden zu können, weil sie die Grenzen, die ihnen ihr Amt und ihr Apparat aufzeigen werden, noch nicht kennen. So hören wir etwa vom künftigen Innenminister Alexander Dobrindt, es werde „stärkere“ Grenzkontrollen geben und „sofort Entscheidungen“ – ohne tiefere Details.
Vielleicht sollten wir es mehr nach dem Evangelisten Matthäus halten: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“.
Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:
1. Prophetische Fundamentalkritik ist das eine, das andere sind die konkreten Herausforderungen, die auf die neuen Kabinettsmitglieder warten: Für Katherina Reiche haben sie meine Kollegen Julian Olk, Klaus Stratmann und Kirsten Ludowig in drei Kapiteln zusammengefasst: die Wirtschaftspolitik im Sinne Erhards ausrichten, die Energiewende neu aufstellen, die Industriepolitik konsolidieren. Nichts leichter als das, oder?
2. Der Deutsche Alex Blania gilt als „German best buddy“ von OpenAI-Chef Sam Altman. Ihr gemeinsames Unternehmen „Worldcoin“ zählt zu den wohl ambitioniertesten der Tech-Welt. 2019 verkündeten sie, bis 2023 eine Milliarde Irisscans durchführen zu wollen, um eine sichere Online-Identität zu schaffen. Mittlerweile heißt das Projekt „World“, nicht mehr „Worldcoin“. Ihr ursprüngliches Ziel haben die Gründer weit verfehlt. Warum Blania und Altman jetzt trotzdem einen „Durchbruch“ verkünden – und ob es wirklich einer ist: Meine Kollegen Felix Holtermann und Stephan Scheuer haben recherchiert und mit Alex Blania gesprochen.

3. Blackout bald in Deutschland? Am Montag kam es in Spanien und Portugal zu einem massiven Stromausfall. Wie wahrscheinlich ist es, dass dasselbe in Deutschland passiert – und wie gut sind wir darauf vorbereitet? Kathrin Witsch, Bert Fröndhoff, Klaus Stratmann und Isabelle Wermke haben die Hintergründe recherchiert, die Stromnetze miteinander verglichen. Ob ein flächendeckender Aussetzer wirklich so unwahrscheinlich ist, wie oft behauptet wird, lesen Sie hier.
4. Liest man das Interview meines Kollegen Markus Hinterberger mit der Psychologin Monika Müller, glaubt man zeitweise, es gehe um die Trennung nach einer tiefen Liebe, um das aufwühlende Ende einer langjährigen Partnerschaft. In gewissem Sinne ist die Trennung von der eigenen Immobilie ja auch so, vor allem dann, wenn man selbst darin gewohnt hat. Die Psychologin gibt Tipps, wie sie dennoch gelingen kann – und warum es dabei besonders auf die künftigen Bewohner ankommt.

5. An der Wall Street und im Silicon Valley dürften einige Sektkorken geknallt haben, als klar war, dass Donald Trump zum zweiten Mal US-Präsident wird: Deregulierung, Steuergeschenke, hier und da eine wohlwollende Verordnung. Doch seit Januar sind nicht nur der Dollar und die Aktienkurse abgestützt. US-Autokonzerne verschicken wegen des Zollchaos Brandbriefe ins Weiße Haus. Und Mark Zuckerberg saß bei der Amtseinführung noch in der ersten Reihe, mittlerweile sitzt er auf der Anklagebank. Unsere Korrespondenten liefern den Überblick zur großen Fehlkalkulation von Corporate America.
6. Man mag meinen, dass sich eine Krise in den USA recht schnell auf die ganze Welt ausweiten würde, doch der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock sieht es anders: „Kurzfristig wird Europa auf jeden Fall zu den Gewinnern zählen, das sieht man an den Kapitalströmen, die aus den USA auf den Kontinent fließen“, sagte Larry Fink in einem bemerkenswerten Interview meinen Kollegen Moritz Koch und Michael Maisch. Ein dauerhafter Selbstläufer sei das aber nicht, mahnte Fink. „Ich messe die Zukunftsfähigkeit der EU vor allem daran, ob es gelingen wird, endlich eine echte Kapitalmarktunion und eine echte Bankenunion zu schaffen, und ob es gelingen wird, die ausufernde Bürokratie abzubauen und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.“ Mögen seine Worte in den EU-Mitgliedstaaten Gehör finden.
7. Viele Anleger haben in den vergangenen Wochen nervöse Momente erlebt, Donald Trumps Disruptionspolitik sei Dank. Unsere Anlageprofis haben deshalb für Sie aufgeschrieben, wie man in turbulenten Zeiten gelassen bleiben kann, vorausgesetzt, man begnügt sich mit ETFs. Eine der Erkenntnisse: „Ein ETF auf den MSCI World reicht ganz sicher nicht“, wie es der Finanzwissenschaftler Martin Weber formuliert.

8. Warren Buffett feiert 60 Jahre an der Spitze von Berkshire Hathaway – und könnte kaum erfolgreicher sein: Während der S&P 500 fällt, legt die Aktie seines Konglomerats 17 Prozent zu. Warum Warren Buffet gerade den Markt schlägt, haben Astrid Dörner und Andreas Neuhaus für Sie aufgeschrieben.
9. Heute schon geatmet? Führungskräfte orientieren sich an Zahlen, Fakten und Daten. Nicht daran, wie achtsam sie durch die Welt gehen. So zumindest ein Vorurteil. Doch Verantwortung für andere beginnt mit Selbstmanagement. Und gutes Management braucht geistigen Freiraum, sagt Christoph Glaser. Er trainiert Manager seit mehr als 25 Jahren – damit sie kreativ und präsent sind, wenn es darauf ankommt. Mein Kollege Jan Lutz hat ein zweitägiges Atemseminar für Führungskräfte in Zürich besucht. Wie die richtige Atemtechnik Entscheidungsträger weiterbringt, lesen Sie hier.

Ich wünsche Ihnen ein Wochenende zum Durchatmen.
Bleiben Sie zuversichtlich!






Herzlich
Ihr
Martin Knobbe





