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Morning BriefingWarum bei der Europawahl nur eine Partei wirklich gewonnen hat

Christian Rickens 10.06.2024 - 06:57 Uhr aktualisiert
Handelsblatt Morning Briefing

Ampel-Absturz: SPD, Grüne und FDP nur noch knapp über 30 Prozent

10.06.2024
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Liebe Leserinnen und Leser,

in den Tagen vor der Europawahl hatte sich bei den Ampel-Parteien aus unerfindlichen Gründen eine gewisse Hoffnung ausgebreitet, dass die Klatsche am Wahltag womöglich weniger deutlich ausfallen könnte als von den Umfragen suggeriert.

Seit gestern wissen wir: Es kam so schlimm wie erwartet – und noch schlimmer. Die SPD unterbietet ihr miserables Wahlergebnis von der letzten Europawahl um 1,9 Prozentpunkte und landet bei 13,9 Prozent. Die Niederlage fällt vor allem auf Olaf Scholz zurück, den die SPD im Wahlkampf großflächig plakatiert hatte. Dass die SPD auch noch eine Europa-Spitzenkandidatin namens Katarina Barley am Start hatte, dürften nur Polit-Connaisseurs mitbekommen haben.

Die Grünen verlieren sogar katastrophale 8,6 Prozentpunkte und landen bei 11,9 Prozent. Vergleichsweise glimpflich geht es für die FDP aus, was vor allem daran liegt, dass die Liberalen auch bei der Europawahl vor fünf Jahren schon sehr schwach abgeschnitten haben. Sie erzielen ein Ergebnis von 5,2 Prozent und verloren 0,2 Prozentpunkte.

In Summe kommt die Ampel auf eine Zustimmung von weniger als einem Drittel. Man sollte meinen, dass CDU und CSU von dieser Schwäche der anderen etablierten Parteien deutlich profitieren. Doch angesichts der Ausgangslage, sozusagen freistehend vor einem leeren Tor, wirkt der Zuwachs der Union auf 30 Prozent wenig glanzvoll.

» Lesen Sie auch: SPD mit Kanzler-Malus, FDP jubelt über fünf Prozent: Die sechs wichtigsten Lehren aus der Wahl in Deutschland

Ähnliches gilt für die AfD. Die kann ihr Ergebnis von elf Prozent bei der Wahl 2019 zwar um 4,9 Prozentpunkte steigern und steigt in Ostdeutschland zur stärksten Kraft auf. Zugleich bleibt die AfD hinter ihren zwischenzeitlich noch höheren Umfragewerten zurück. Aber hey, eine Partei, die ihren eigenen Spitzenkandidaten Maximilian Krah mit einem Auftrittsverbot belegen musste und in den vergangenen Wochen auch sonst keine Kalamität ausließ, ist mit 15,9 Prozent wirklich gut bedient.

Kein Zweifel: Die einzige echte Wahlsiegerin heißt Sahra Wagenknecht. Das nach ihr benannte Bündnis BSW trat erstmals bei einer Wahl an und holte mit 6,2 Prozent mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Richtung Bedeutungslosigkeit driftende Linke. Neben der AfD gibt es nun eine zweite Protestpartei, mit der bei der kommenden Bundestagswahl zu rechnen sein wird.

Auch in Frankreich legten die Rechten bei der Europawahl zu. Nach der Niederlage seines Mitte-Lagers will Frankreichs Präsident die französische Nationalversammlung auflösen. Emmanuel Macron kündigte am Sonntagabend Neuwahlen für den 30. Juni an. Er könne nicht so tun, als sei nichts passiert, sagte Macron an die Wähler gerichtet:

Ich habe Ihre Botschaft und Ihre Bedenken gehört und werde sie nicht unbeantwortet lassen.

Was man bei der Europawahl leicht vergisst, weil es immer gleich um die Folgen der Ergebnisse für die nationale Politik geht: Es wurde ja tatsächlich auch noch ein europäisches Parlament gewählt. In dem wird das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit den deutschen Parteien CDU und CSU voraussichtlich auf 184 Sitze kommen und damit auf ein Viertel der 720 Sitze. Zweitstärkstes Lager bleiben die Sozialdemokraten. Sie kommen auf 139 Mandate. Danach folgen die Liberalen, die auf 80 Sitze abrutschen. Auch die europäischen Grünen verlieren deutlich und landen bei 52 Sitzen.

Die beiden rechten Fraktionen ID und EKR kommen insgesamt auf voraussichtlich 131 Sitze. Das ist ein Plus von gerade mal 13 Mandaten gegenüber der Europawahl 2019. Durchmarsch geht anders.

Fazit: Der Abgesang auf die europäische Demokratie fällt vorerst aus, bereits gelöste Eintrittskarten behalten aber ihre Gültigkeit.

Die Europäische Volkspartei EVP, der auch CDU und CSU angehören, bleibt nach der Europawahl die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament. Allerdings konnten weiter rechts stehende Parteien in vielen Mitgliedsstaaten deutlich zulegen.

Damit hat Ursula von der Leyen (CDU) gute Chancen auf eine zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin. Sie wird erneut ein breites Bündnis schmieden müssen, um auf die für ihre Wahl nötige absolute Parlamentsmehrheit zu kommen. Die spannende Frage: Wird sie dafür auch auf die Unterstützung der rechten EKR-Fraktion setzen? Und wie will sie verhindern, dadurch mögliche Unterstützer bei Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten zu verlieren?

» Lesen Sie auch: Die Träume der Grünen von einer Kanzlerschaft sind wohl endgültig ausgeträumt – ein Kommentar

Ständig aktualisierte Ergebnisse und weitere Nachrichten zur Europawahl finden Sie in unserem Liveblog zum Thema.

Zeitgleich mit den Europawahlen fanden gestern in Thüringen auch die Stichwahlen um Landrats- und Bürgermeisterposten statt. Bei den Landratsposten ist die AfD offenbar leer ausgegangen. In keinem der neun Landkreise, in denen AfD-Kandidaten den zweiten Wahlgang erreicht hatten, reichte es laut vorläufigen Ergebnissen für einen Sieg. Auch der Neonazi Tommy Frenck verlor seine Stichwahl um einen Landratsposten deutlich.

Händlerin an der New Yorker Börse: Hier suchen Profis aktuell die Gewinner von morgen. Foto: REUTERS

Wir kommen zu einer ganz anderen Art von Wahl: Profianleger bauen gerade ihre Aktiendepots um. Das zeigen Daten der US-Investmentbank Goldman Sachs, die mehr als 95 Portfolios von Hedgefonds verfolgen. So haben die Fonds beispielsweise bei Nvidia ihre Position im Monatsvergleich leicht reduziert. Dafür greifen sie nun bei anderen Aktien zu. In den Top Ten befinden sich im Monatsvergleich gleich vier neue Titel – allesamt sind in Deutschland weitestgehend unbekannt. Eine davon ist die Aktie eines Unternehmens mit dem für deutsche Ohren befremdlichen Namen Wix. Mit dem Baukastensystem des Unternehmens aus Israel können Kunden ohne Programmierkenntnisse eine Internetseite erstellen.

Alles über Wix und die drei anderen neuen Top-Picks der Profi-Investoren lesen Sie hier.

Israels Ex-Verteidigungsminister Benny Gantz wirft Netanjahu „Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen“ vor.  Foto: REUTERS

Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens verlässt Minister Benny Gantz die in Israel nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas vom 7. Oktober gebildete Notstandsregierung. Der 65-jährige Ex-Verteidigungsminister warf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu „Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen“ vor. Israel müsse alles unternehmen, um ein Abkommen für eine Feuerpause und die Befreiung der Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge umzusetzen.

Tennisstar Alexander Zverev hat nach seiner gestrigen Final-Niederlage bei den French Open gegen den Spanier Carlos Alcaraz souverän auf eine möglicherweise spielentscheidende Fehlentscheidung reagiert.

Fünfter und letzter Satz, es steht 1:2 und 40:15 für Zverev: Vom Linienrichter kommt bei Alcaraz' zweitem Aufschlag ein Aus-Ruf – das würde ein Break für den Deutschen bedeuten. Doch der Stuhlschiedsrichter sieht sich den Ballabdruck auf dem Platz an und korrigiert die Entscheidung des Linienrichters. Wie Bilder später beweisen, war dies eine Fehlentscheidung. Der Ball hatte die Linie minimal verfehlt. Zverev blieb nach dem Spiel dennoch ganz Sportsmann:

Carlos hat im vierten und fünften Satz besser gespielt. Ich finde auch, dass er verdient gewonnen hat.

Ich wünsche Ihnen einen Wochenauftakt, an dem Sie Größe zeigen.

Herzliche Grüße,

Verwandte Themen Bundestagswahl Europawahl Emmanuel Macron

Ihr

Christian Rickens

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